10 Gründe, warum es den Pride Month braucht

Julia Lorber
Julia Lorber
Millenial & plant-based Foodie mit Feminismus im Blut und einer ausgeprägten Liebe zu Wörtern, Menschen- und Hundebabys. Prosecco-trinkende Philanthropin mit Sehnsucht nach fernen Orten, Interesse an der menschlichen Psyche und einem Hang zu den schönen Künsten. Spa Babe mit Tiefgang.

Es ist wieder so weit, wir befinden uns mitten im Juni, und damit auch in der Mitte des Pride Months. Wer im urbanen Raum lebt, dürfte die vielen Regenbogen-Flaggen bereits gesehen haben, die einmal im Jahr für vier Wochen Regierungsgebäude, Schulen, Öffis und manche Unternehmen schmücken. In Anlehnung an die gewaltvollen Stonewall Riots und den darauffolgenden Protest von LGBTIQ*-Personen in NYC 1969 – auch bekannt als der erste Christopher Street Day (CSD) – begehen wir im Juni den Pride Month, um nach wie vor stigmatisierten Minderheiten zu mehr Sichtbarkeit zu verhelfen. Warum dies 2023 immer noch unbedingt notwendig ist, präsentieren wir euch heute:

1.) Diskriminierung existiert nach wie vor und hat viele Gesichter. Von Angst vor dem eigenen Outing am Arbeitsplatz über Benachteiligung bei der Wohnungssuche, „Catcalling“ auf der Straße oder im Club bis hin zu Hasskommentaren im Internet. Diese haben wir sogar für das Foto rechts bekommen, welches wir vor kurzem auf Social Media gepostet haben. Unfassbar, was wir dazu lesen (und löschen!) mussten. „Ekelhaft“ sei dieser Anblick, dürfe Kindern nicht „zugemutet werden“ und vieles mehr. Davon distanzieren wir uns ganz klar! 

(c) Dragan Dokmanovic

2.) Laut repräsentativen Umfragen trauen sich 61 % der LGBTIQ*-Paare, also sechs von zehn Pärchen, nicht, in der Öffentlichkeit Händchen zu halten.

3.) Es wird bei nicht-heterosexuellen Lebens- und Beziehungsformen immer noch von Coming Out gesprochen. Wir sagen: Liebe ist Liebe! Es sollte längst nicht mehr nötig sein, sich zu „outen“, schließlich müssen Heteros diesen Schritt auch nicht wagen, der oft noch mit so viel Angst, Scham und Leid verbunden ist. Nicht wenige Queers werden nach wie vor von Familienmitgliedern verstoßen, weil sie lieben, wen sie wollen. 

4.) LGBTIQ*-Vereinslokale werden regelmäßig zur Zielscheibe von Vandalismus, auch in Österreich. Bei dem jüngsten Anschlag auf das Gugg, das Zentrum der Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien, wurde vor ca. zwei Wochen mal wieder eine große Regenbogen-Flagge zerrissen. Immer wieder kommt es zum Zerstören von Fahnen, eingeschlagenen Fenstern, verschmierten Wänden und sogar zu übermalten Regenbogen-Zebrastreifen im Stadtverkehr. Kein Wunder also, dass sich viele queere Menschen nicht sicher fühlen auf den Straßen.

5.) Pride Merch in Geschäften führt zu Randale! Kürzlich sorgten Meldungen aus den USA für weltweite Schlagzeilen, nachdem der Megastore Target eine Pride Kollektion herausgebracht hatte. Der Grund: Wütende Republikaner_innen haben Verkaufsstände und Aufbauten verwüstet, weil sie gegen diese „schlimme Message gegenüber Kindern“ sind. Öffentlich zu randalieren, ist da natürlich viel vorbildhafter. Dasselbe passierte vor kurzem übrigens mit aus den Regalen geworfenen Bierflaschen, nachdem eine bekannte amerikanische Biermarke ihre Pride Edition beworben hatte. Traurige Folge der Aktion: In einigen Supermärkten wurden die Produkte nicht mehr präsentiert, was für große Kritik sorgte und als Zugeständnis den Wutbürger_innen gegenüber galt.

6.) Konversionstherapien sind in Österreich noch nicht verboten. Diese Umpolungs-Versuche, die darauf abzielen, Menschen hetero zu machen, dürfen legal stattfinden. Berichten aus den USA zufolge werden dort mancherorts sogar Elektroschocks eingesetzt, um zu einer Wesensänderung zu führen. Diese „Therapien“ werden ihrem Namen dabei absolut nicht gerecht – statt etwas zu heilen, werden hier maximal Traumata kreiert. Der Hintergrund ist übrigens religiöser Natur und kommt aus der evangelikalen Bewegung. 

7.) Eine neue Welle von Anti-LGBTIQ*-Gesetzen greift weltweit um sich. Besonders das Thema Transsexualität wird derzeit kriminalisiert. Von republikanischen Teilen Amerikas bis nach Europa, wo in Ländern des Ostens immer wieder Rechte beschnitten werden. Für besondere Empörung hat kürzlich das afrikanische Land Uganda gesorgt, nachdem die dortigen – ohnehin schon strengen Anti-LGBTIQ*-Gesetze – nochmals verschärft wurden, und jetzt in „schlimmen Fällen“ sogar mit der Todesstrafe geahndet werden können. In Deutschland ruft indes die AfD zum „Stolz Monat“ auf, um auf Social Media die ihres Glaubens unmögliche Regenbogen-Propaganda in ihre Schranken zu weisen. Ziel ist es, dem Pride Month die Stirn zu bieten. Es bräuchte nämlich nur drei Farben: Schwarz-Rot-Gold.

8.) Die aktuelle Debatte rund um Kinderlesungen durch Drag Queens wird politisch instrumentalisiert. Hierbei geht es lediglich darum, dass Kindern von Personen vorgelesen wird, die bunt und kunstvoll verkleidet sind – etwas, das Kinder bekanntlich lieben. Wofür? Um zu signalisieren, dass Vielfalt etwas Schönes ist. Dass auch Buben mal ein Kleid anziehen dürfen, wenn es ihnen Spaß macht. Dass Nagellack kein Geschlecht hat. Von den Messages der inklusiven Geschichten aus den Büchern ganz zu schweigen. Was der rechte Rand daraus macht, ist hingegen reinste Hetze. Es wird mit Angstmache gearbeitet und suggeriert, Drag Queens würden die Kids sexualisieren, ihnen schmuddelige Inhalte präsentieren, die nicht altersgerecht seien. Auf der Demo gegen diese Lesungen (Schlimm genug, dass solche überhaupt stattfinden!) wurden Anzeigen gegen das Verbotsgesetz aufgenommen. Wiederum stellt sich (nicht wirklich) die Frage, ob ein Hitlergruß nicht eventuell der schädlichere Einfluss auf ein Kind ist als ein verkleideter Mann. Letztes Jahr wurde tatsächlich vor einer Drag-Lesung der Eingang zu einer Bibliothek zugemauert. ZUGEMAUERT. Dazu habe ich nichts mehr zu sagen.

(c) Knesebeck Verlag
(c) Gaytimes

9.) In vielen Staaten weltweit, auch in Europa, sind Pride Paraden verboten. Wer an diesen Demos teilnimmt, riskiert Verhaftungen und Gewalt. Ganz vorne dabei: Serbien, Russland, Türkei

10.) Die Gewaltdelikte gegenüber LGBTIQ*-Personen steigen kontinuierlich an. Während das deutsche Statistikportal statista im Jahr 2001 noch 10 polizeilich erfasste Gewaltdelikte gegenüber LGBTIQ*-Menschen verzeichnete, waren es 2022 227! Der Wert hat sich also in zwanzig Jahren verzwanzigfacht! Man denke hierbei an die Dunkelziffer und an Länder, in denen Homo- und Transsexualität noch viel weniger in der Gesellschaft angekommen sind. Todtraurig. Jedes Opfer ist eines zu viel!

Alle Bilder, außer extra angeführt, stammen von Unsplash.

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