IDAHOBIT – Internationaler Tag gegen Homo- & Transphobie

Julia Lorber
Julia Lorber
Millenial & plant-based Foodie mit Feminismus im Blut und einer ausgeprägten Liebe zu Wörtern, Menschen- und Hundebabys. Prosecco-trinkende Philanthropin mit Sehnsucht nach fernen Orten, Interesse an der menschlichen Psyche und einem Hang zu den schönen Künsten. Spa Babe mit Tiefgang.

Am 17. Mai wird jährlich der internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit (englisch: International Day Against Homophobia, Biphobia, Interphobia and Transphobia) begangen. Seit 2005 soll der IDAHOBIT-Aktionstag auf die Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität aufmerksam machen und das Bewusstsein für die Arbeit, die zur Bekämpfung von Anfeindungen weiterhin noch nötig ist, schärfen. Das Datum für diesen Tag wurde gewählt, da die Weltgesundheitsorganisation WHO Homosexualität (erst) am 17. Mai 1990 aus der Liste der psychischen Krankheiten gestrichen hatte. Zu Beginn der Neunziger, lasst euch das bitte kurz bewusst durch den Kopf gehen! 

Im Gegensatz zum IDAHOBIT, ist der Pride Month Juni mittlerweile vielen ein Begriff – die geballte Sichtbarkeit von LGBTIQ*-Menschen und deren Themen über einen Zeitraum von vier Wochen ist unsagbar wichtig, ruft dennoch zweifelhaften Support im großen Stil auf die öffentliche Agenda. Firmen wissen über die unglaubliche Kaufkraft der Queer Community Bescheid und wollen durch sog. ‚Rainbow Washing‘ von einer mittlerweile erfolgreichen ‚Strömung‘ profitieren. Logos werden hierfür einen Monat lang in Regenbogenfarben getaucht, auch wenn die Firmenpolitik und deren zugrunde liegende Werte alles andere als eine inklusive Sprache sprechen. Diese Marketingmaßnahme zeugt aber zugleich von einem Umstand, der in meinen Augen eine wunderbare Botschaft in sich birgt: Nach Jahrzehnten des Kampfes, der Unterdrückung und Erniedrigung von LGBTIQ*-Menschen ist die Normalität gleichgeschlechtlicher Liebe so stark in der Mitte unserer Gesellschaft verankert, dass große Brands es sich inzwischen fast nicht mehr leisten können, sich mit der Queer Community zu solidarisieren. Wir sind endlich an einem Punkt angelangt, an dem es als ewiggestrig, homophob und inakzeptabel gilt, wenn man sich offen dazu bekennt, LGBTIQ*-Rechte abzulehnen und ein Problem mit Homosexualität äußert. Dabei ist mir völlig bewusst, dass ich meine Beobachtungen aus einer Bubble treffe – Social Media-Kommentare unter Nachrichtenseiten lassen da tatsächlich (noch) in eine sehr niedrige Schublade blicken. Aber, und das ist dennoch eindeutig gesamtgesellschaftlich beobachtbar, auch diese Spezies der homophoben (und meist gleichzeitig rassistischen & sexistischen) Personen wird deutlich weiter an den (rechten) Rand der Gesellschaft gedrängt. Die Pro-Homo-Lobbies aka Unterstützer_innen der LGBTIQ*-Rechte (engl.: Allies) werden größer und lauter. Politisch engagiert zu sein, ist en vogue. Die Vielfalt zu feiern, gehört zum guten Ton. Wer dagegen ist, traut sich das – zumindest außerhalb seiner trolligen Foren und Netztwerke – nicht mehr laut zu sagen. Zu Recht! Gefahren lauern trotzdem überall – Stichwort ‚Don’t say gay!‘, ein Gesetzesentwurf aus Florida, der die Erwähnung gleichgeschlechtlicher Liebe und Beziehungsformen in Schulen verbieten soll. Amerika, Land of the Free – wo Abtreibungen wieder kriminalisiert werden, aber statt Women’s & LGBTIQ* Rights (also Menschenrechte!) der Kauf von Schusswaffen geschützt und verteidigt wird, unzähligen Mass Shootings pro Woche zum Trotz.

Ultra-konservative Politiker_innen und deren barbarische Gesetzgebung findet man aber leider auf den meisten Teilen der Erde. Wir müssen nur über die Grenze blicken und sehen die totale Unterdrückung der Queer Community in unseren unmittelbaren Nachbarländern. Ungarn und Polen allen voran – hier ist die Organisation und Teilnahme an  einer Pride-Parade höchst gefährlich, ähnlich wie in der Türkei und anderen Ländern, die massiv zur Unterdrückung von LGBTIQ*-Menschen beitragen. Von Russland brauchen wir an dieser Stelle gar nicht erst anzufangen. (Anm.: Dort werden Name, Adresse und Foto von vermutet homosexuellen oder transsexuellen Menschen auf einer Website publiziert, damit regime-getreue Mitbürger_innen diesen ‚Zucht und Ordnung‘ einprügeln – bis hin zur Ermordung. Strafrechtlich verfolgt werden diese Hassverbrechen freilich nicht, wohingegen bereits der stille Protest mit einer winzig-kleinen Regenbogenflagge als Unzucht gegenüber Minderjährigen mit Verhaftung geahndet wird.)

Der Pride Month erinnert an die Stonewall Riots 1969 und den ersten Christopher Street Day, der daraufhin als Demonstration in NYC stattfand. Hochpolitisch, doch mittlerweile werden Pride-Märsche weltweit eher als Feier von Liebe, Toleranz & Freiheit angesehen. Auch hier werden Appelle an Politik und Gesellschaft gerichtet, unter all den tanzenden Menschen geht der Fokus darauf dennoch leicht verloren. Und wer sich zum Teil immer noch im Alltag verstecken muss, weil z.B. kein umfassender Diskriminierungsschutz gesetzlich verankert ist, hat sich einen Nachmittag exzessiver Sichtbarkeit und Entfesselung mehr als verdient. Ja, viele von uns glitzern, tanzen und feiern dieses Zugehörigkeitsgefühl einmal im Jahr. Nicht jedoch, ohne gemischte Gefühle. Der Slogan „Marching for those who can’t“ steht seit Jahren sinnbildlich für die Millionen Queers auf dieser Welt, die einen friedlichen Umzug mit dem Leben bezahlen würden.

Genau dieser Punkt führt mich zurück zum IDAHOBIT, dem eigentlichen Thema des heutigen Artikels. Der internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit richtet den Fokus auf Missstände und Diskriminierungen von LGBTIQ*-Personen. Weltweit werden in 69 Ländern einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen weiterhin kriminalisiert. Außerdem haben viele LGBTIQ*-Menschen keine körperliche Autonomie, einige werden gezwungen, sich medizinischen Behandlungen oder unnötigen Operationen zu unterziehen. Dazu gehören auch unwissenschaftliche ‚Konversionstherapien‘, die mit Bibelunterricht, Elektroschocks und co. dazu dienen, Menschen hetero ‚zu machen‘ – dabei stattdessen physische und psychische Traumata verursachen. Langsam beginnen vereinzelte Länder, Conversion Therapy per Gesetz verbieten zu lassen. Vorurteile, Diskriminierung, Stigmatisierung, Feindseligkeit und Gewalt: Die Liste alltäglicher Angriffe ist lang, sog. Hate Crimes nehmen nach pandemie-bedingtem Rückgang wieder drastisch zu. Allein in Österreich wurden zwischen Juli und Oktober 2021 215 Hassverbrechen gegen LGBTIQ*-Personen polizeilich erfasst, die Dunkelziffer ist leider um ein Vielfaches höher.

Protect trans lives!

Besonders vulnerabel ist die Gruppe transsexueller Menschen. Sie werden häufig zum Ziel von Übergriffen, ihre Identität wird in Frage gestellt und die Ablehnung durch die Gesellschaft – oft auch eigene Familie – ist omnipräsent. Jetzt kommt allerdings die gute Nachricht: Auch hier tut sich verdammt viel! 

Noch vor ein paar Jahren war das Thema Transsexualität eine exotische Randerscheinung, der selbst innerhalb der Queer Community nicht all zu viel Beachtung geschenkt wurde. Mittlerweile ist die Option auf Angabe einer dritten Geschlechtsvariante sogar gesetzlich verankert, Jobs werden ausgeschrieben an ‚weiblich, männlich, divers‘. 

Nach unzähligen tragischen Suizid- und Mordfällen von Transpersonen in den vergangenen Jahren lernt die Gesellschaft endlich dazu. Geschlecht ist ein Spektrum, fluide und wandelbar. Es gibt Kinderbücher, die bewusst die Rosa-Hellblau-Falle dekonstruieren, Pronomen werden in die Instagram Bio geschrieben und gegenderter Sprachgebrauch wird eingeführt.

Der Kampf um die Sichtbarmachung und Normalisierung von Transsexualität ist mittlerweile mitten in unserer Gesellschaft angekommen – und das ist wunderbar. Homosexualität muss man heutzutage akzeptieren, wenn man als decent human being gelten möchte. Anstelle dieses Kampfes ist ein neuer gerückt, den wir gemeinsam entschlossen vorantreiben müssen. Die Rechte und Toleranz unser transsexuellen Mitmenschen gehören um jeden Preis bewahrt und gesteigert! LGBTIQ* Rights are HUMAN RIGHTS. Mehr Rechte für einzelne, bedeutet zugleich mehr Rechte für ALLE!

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