Erlaubt oder verboten: Was darf man als Gast aus dem Hotel mitnehmen?

Okay, Hand aufs Herz – wir haben es doch alle schon mal gemacht: den eleganten Kugelschreiber, das praktische, kleine Duschgelfläschchen oder die bequemen Badeschlapfen aus dem Hotel mitgenommen. Natürlich, die Betonung liegt auf MITGENOMMEN. Denn wer würde hier auch schon von „stehlen“ sprechen? Das ist doch alles vom Hotel einkalkuliert. Das Hotel kann die Sachen eh nicht nochmal verwenden. Ich mache doch damit sogar Werbung fürs Hotel. Mit Argumenten wie diesen besänftigen wir ganz schnell unsere Zweifel und das eventuell aufkeimende schlechte Gewissen.

Doch stimmt das wirklich so? Ist es tatsächlich ein einkalkuliertes Risiko der Hoteliers? Und wollen Hotels vielleicht sogar, dass Gäste Produkte mitnehmen, als quasi „unabsichtliches Product-Placement“?

Wir sind all diesen Fragen für euch nachgegangen und sind auf verblüffende Geschichten gestoßen.

Außerdem haben wir mit der „Haus- und Hof“-Juristin von Falkensteiner, Martina Flitsch, gesprochen, um auch die juristische Seite zu beleuchten.

Die internationalen „Gern-geklaut“-Charts

Dass Bademäntel, Kosmetika und Handtücher auf einschlägigen Listen ganz oben stehen, überrascht nicht. Ebenso wenig, dass auch Kleiderhaken, Stifte und Besteck oft und gerne „verreisen“. In etwa – vergleicht man die diversen Umfragen und Berichte – dürften 75 bis 80 Prozent des Schwundes in diese Kategorie fallen. Schätzungen besagen, dass einer von drei Hotelgästen schon Badeschlapfen oder Duschgel eingesteckt hat.

Dass auch Blumen, Bilder und Zierkissen mitunter mit dem Gast auschecken, verblüfft dann die Mehrheit der ehrlichen Hotelgäste. Auf die Idee, Glühbirnen, Toilettenpapier oder Batterien aus der TV-Fernbedienung nicht im Laden sondern im Hotel zu besorgen, kommt nicht jeder. Da derlei Vier- und Fünfsternehäuser ebenso trifft, wie Hotels niedrigerer Kategorie und Pensionen, liegt ein Schluss nahe: Geklaut wird nicht aus Armut oder Not. Da ließe sich ja eine Spur Verständnis aufbringen.

Wenn dem Flügel Flügel wachsen

Tatsächlich gibt es nichts, was in den Hotels dieser Welt nicht gestohlen wird. Die Liste reicht von fehlenden TV-Geräten, Bügeleisen und Zimmertelefonen über Badarmaturen, Toilettensitzen bis hin zu verschwundenen Matratzen, Tischen oder Sofas. Die groteskesten Berichte handeln dann von penibel vom Boden abgelösten und entführten Teppichböden oder Tapeten, kompletten Toiletten, die plötzlich nicht mehr da sind und Konzertflügel, der von drei „offiziell“ auftretenden Herren in Overalls vor den Augen der Rezeptionisten aus einem Fünfsternehaus gerollt und in den vor dem Hotel stehenden Transporter verladen wird. Aber: Das sind die Ausreißer. Einzelfälle, mit denen man Freunde und Bekannte blendend unterhalten kann.

Doch zurück zu der Frage nach den Kleinigkeiten, derentwegen sich niemand als Krimineller oder gar Dieb fühlt: Darf man oder darf man nicht?

Die Rechtslage ist eindeutig

„In Wirklichkeit ist die Rechtslage absolut eindeutig“, erklärt dazu Juristin Martina Flitsch: „Man darf nichts von dem mitnehmen, was im Hotel oder im Hotelzimmer ist. Das gehört alles dem Hotel.“

Und zwar auch dann, wenn man die Bodylotion Flasche angebrochen und zwei Drittel des Inhaltes längst verwendet hat oder die Badeschlapfen patschnass neben der Dusche stehen. „Das sind Gegenstände, die das Hotel dem Gast für die Zeit seines Aufenthaltes zum Gebrauch zur Verfügung stellt“, erläutert die in Wien praktizierende Rechtsanwältin, „das ist definitiv nichts, was man als Gast bei der Abreise mitnehmen darf.“ Tut man es doch, erklärt die Juristin klipp und klar, was Sache ist: „Das ist Diebstahl!“ Und vor dem Buchstaben des Gesetzes, so die Rechtsexpertin, spielt es da „absolut keine Rolle, ob das, was ich stehle, einen oder eine Million Euro wert ist: Diebstahl ist Diebstahl.“

„Gelebte Praxis ist anders“

Freilich betont die Juristin eines: „Auch wenn das juristisch bombensicher ist, ist die gelebte Praxis natürlich eine ganz andere.“ Flitsch hat sich für uns sogar auf die Suche nach Urteilen oder Prozessen wegen verschwundener Waschlotionen oder entführter Seife gemacht und fast erwartungsgemäß nichts gefunden: „Es gibt dazu keine Rechtssprechung. Das ist ja auch nachvollziehbar. Wir sprechen hier von der Theorie und der Rechtslage, nicht vom wirklichen Leben.“

„Theoretisch“, schmunzelt die Anwältin, „könnte ein ertappter Gast – ich kann mir aber nur schwer vorstellen, wie es zu dieser Situation kommen könnte – dann versuchen, den „Diebstahl“ in seiner Rechtfertigung zur „Entwendung“ herab zu stufen. „Mit ‚Entwendung‘ definiert man juristisch die Aneignung einer ‚Sache geringen Wertes zur Stillung eines unmittelbaren Gelüstes‘.“

„Fakt ist allerdings“, betont die Falkensteiner Hausjuristin, „dass das eine juristische Frage ist, die sich in der Praxis wohl nie stellen wird.“

Eines fiel Martina Flitsch im Zuge ihrer Recherchen zum Thema dann noch auf: „Wenn man bei diesen Kleinigkeiten streng nach dem Buchstaben des Gesetzes vorginge, würde das allen das Leben schwerer machen.“ Denn dann müssten die Hotels Kugelschreiber, Schreibpapier und andere Dinge, die man Gästen unter anderem auch deshalb gerne überlässt, damit sie auch draußen, außerhalb des Hotels, Marke und Logo des Hauses sichtbar machen, eigens mit „Das dürfen Sie mitnehmen“-Beschriftungen versehen. Flitsch: „Manchmal ist es für alle einfacher, wenn man sich darauf verlässt, dass Hausverstand und Anstand in vielen Fragen die besseren und lebensnäheren Antworten geben.“

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