„Die Gäste sollen mein Essen verstehen.“ – Sternekoch Theodor Falser im Interview

Sarah Parzer
Sarah Parzer
Kommunikation ist ihre Leidenschaft und ihr Beruf. Hört man ihre Stimme mal nicht durch das Büro schallen, ist sie vermutlich auf Reisen mit ihrem Campervan-Oldtimer Louis. Als Sternzeichen Krebs zieht es sie dazu so oft es geht ans Meer. Als Snackspertin ist es ihre Mission, die besten Pommes der Welt zu identifizieren – eine Aufgabe, die sie sehr ernst nimmt.

„Die Gäste sollen mein Essen verstehen.“ – Der Südtiroler Sternekoch Theodor Falser übers Kochen mit der Großmutter, Lebensmittel ohne Kompromisse und die Zusammenarbeit mit Falkensteiner

  • Wer hat bei Euch zuhause gekocht und woher kommt Deine Liebe zu regionalen und saisonalen Gerichten?

Das kommt aus meiner Kindheit. Bei uns zuhause hat meine Großmutter gekocht. Und sie hat alles verwendet. Ich bin in Bozen in einer Bauernfamilie in einfachen Verhältnissen aufgewachsen. Es gab, was der Hof abgeworfen hat. Nachhaltigkeit – das Wort hat noch gar nicht existiert und trotzdem haben wir schon nachhaltig gelebt. Wir haben einfach das gekocht, was wir in der Hochsaison geerntet haben.

Was nicht gleich verwendet wurde, haben wir fermentiert und eingekocht. Gekauft haben wir nur Reis, Salz oder Zucker. Der natürliche Umgang mit Lebensmitteln wurde mir also schon in die Wiege gelegt.

  • Was für Lebensmittel habt Ihr zum Beispiel verarbeitet?

Wir haben selbst geschlachtet und die eigenen Würste und Speck geräuchert. Wir haben unser Brot selbst gebacken. Wir haben auch unseren eigenen Wein angebaut. Unser Obst und Gemüse haben wir verarbeitet und gelagert. Jetzt ist es schon fast wieder ein Trend zu fermentieren. Früher war das ein Muss, um zu überleben. Vitamin-D Tabletten für den Winter haben wir nicht gekannt – wir haben Sauerkrautsaft getrunken. Der hat zwar abscheulich gestunken, war aber eine Vitaminbombe.

  • Denkst du der Trend geht in Richtung Reduziertheit?

Auf jeden Fall. Es wird zwei große Trends geben. Einmal das globale Chi-chi Fine Dining mit ausdekorierten Tellern auf hohem Niveau. Und dann die Küche, die verstanden wird. Wo man genau weiß, woher das Produkt stammt.  Da kommen dann nur zwei, drei Komponenten auf den Teller und dann ist es auch schon fertig. Das ist das Wichtigste: Eine Küche zu machen, die technisch auf höchstem Niveau ist, aber der Star bleibt immer das Produkt. Und das Produkt stammt aus der Region.

  • Wann hast du Dich dazu entschieden mit Deinem Konzept ‚Taste Nature‘, radikal auf regionale Produkte zu setzen? Und was war der Grund?

In mir war es schon immer. Als ich nach Stationen in Peking, Kuala Lumpur aber auch den Bermudas wieder nach Südtirol zurückgekommen bin, wusste ich, wie mein Weg aussehen soll. Ich wollte keine Produkte mehr verwenden, die am anderen Ende der Welt geerntet wurden, nur weil es cool ist. Wir haben in unserer eigenen Region eine unglaubliche Vielfalt an Lebensmitteln und Gewürzen. Und die sollten wir verwenden. Denn nur so halten wir den Kreislauf – vom Produkt, über den Bauern und lokalen Produzenten bis zum Endverbraucher – am Leben. Mein Team und ich nehmen das sehr ernst, sind da fast schon fundamentalistisch und richtig extrem in unserer Arbeit. Aber das ist für uns der richtige Weg.

  • Für so eine kompromisslose Küche brauchts natürlich auch die richtigen Partner. Wie suchst du deine Produzenten und Lieferanten aus?

Ich halte die Augen offen und schau mir genau an, wer was produziert. Und ich setze voll auf Mundpropaganda. Die Bauern sind eine eingeschworene Gemeinschaft und helfen sich gegenseitig. Vertrauen und die Zusammenarbeit auf Augenhöhe sind hier unglaublich wichtig.

  • Taste Nature hast Du ja speziell für das Engel und die Johannesstube entwickelt. Magst Du das Konzept nochmal kurz erklären?

Taste Nature ist nur für Südtirol und die Johannesstube gedacht, da das nur hier umsetzbar ist. Wir beziehen lediglich vier Produkte von außerhalb Südtirols. Das sind einerseits der Saiblings- und der Forellen Kaviar, die aus einer kleinen Fischzucht im Trentino kommen. Das Salz stammt aus Cervia und Zucker. Alles andere kommt aus Südtirol. Wir benutzen keine Schokolade, kein Zimt, keine Vanille. Begonnen haben wir mit Taste Natur 2014 und werden das auch weiterhin durchziehen.

  • Damit wärst du eigentlich Anwärter für einen grünen Michelin-Stern!?

Das ist unser Ziel, einen grünen Stern zu bekommen und auch zu halten. Wir leben das ja. Wir haben im ganzen Hotel die Hackschnitzelheizung mit Hackschnitzel von den Wäldern rundherum. Der Strom kommt vom Tal. Wir probieren richtig hardcore zu gehen. Aber klar, das probieren andere auch.

  • Falkensteiner & Falser gibt’s an drei Standorten. Was ist der rote Faden?

Der rote Faden sind immer die einheimischen Produkte.

Zum Beispiel in Capo Boi: Die Fleischprodukte kaufen wir alle lokal ein, das Gemüse ist auch zu 100% lokal. Gewisse Gewürze müssen wir zwar importieren, aber die Hauptkomponente der Gerichte kommt immer aus der Region.

Auch in Kalabrien steht die Region im Mittelpunkt. Kalabrien ist sicher eine der am meisten unterschätzten kulinarischen Destinationen Italiens. Mit zahlreichen Schätzen, von denen nur Wenige wissen. Die Region ist sehr speziell mit ihren Bergen und Küsten. Nur dort gibt´s etwa die Cipolla di Tropea, eine einzigartige Zwiebel, die wächst quasi am Straßenrand. Ich mag eigentlich keine rohen Zwiebeln, aber diese sind süß und für mich ein Kunstwerk aus Kalabrien.

Am Kronplatz kommt sowieso alles aus der Region. Hier verarbeite ich auch immer Brennnessel, ein sehr gesundes Gemüse, das überall wild wächst. Wir haben auch Wildknoblauch, den ich einlege und fermentiere.

Unsere eigene Miso aus Buchweißen und Gerste, aus der wir Soßen für Fleischgerichte machen.

  • Was ist Dir bei Deiner Arbeit das Wichtigste?

Ich möchte eine natürliche Küche zelebrieren, die trotzdem sehr geschmackvoll ist – ansprechend präsentiert, mit schönen Kräutern. Die sind ja nicht nur Deko. Dann alles benutzen. Ich trockne zum Beispiel Zwiebelschalen. Das gibt dem Geschmack etwas Erdiges. Buchweizen, gewaschen, getrocknet und gefroren, gibt das Nussige.

Ich bin auch viel bei den Gästen und nehme mir Zeit die Gerichte zu erklären. Ich möchte, dass eine Interaktion stattfindet und so viele Fragen wie möglich beantworten. Denn der Gast soll mein Essen verstehen. Das ist mir das Wichtigste.

  • Vielen Dank für das Gespräch und Deine Zeit, um dieses Interview mit uns zu führen!

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